Nichts über uns ohne uns.

Nichts über uns ohne uns.

  • Kontakt

Zusammenfassung der WFD/EUD-Konferenz

Zusammenfassung der Konferenz

Gebärdensprachen als bedrohte Sprachen 
WFD/EUD-Konferenz in Ål, Norwegen 

Teilnehmer aus 21 verschiedenen Ländern reisten nach Ål, Norwegen, zu einer Konferenz zum Thema "Gebärdensprachen als bedrohte Sprachen". Es waren Vertreter von 14 nationalen Gehörlosenverbänden anwesend, von denen ein großer Teil durch ihre Vorsitzenden vertreten war.

Im Verlauf der viertägigen Konferenz wurde deutlich, dass die nationalen Gebärdensprachen oft in bestimmten Einrichtungen gedeihen: in Schulen für Gehörlose. In der Vergangenheit wurden Schulen für gehörlose Kinder zu Stätten der Entwicklung und Weitergabe von Gebärdensprachen, die wiederum die Entwicklung von Gehörlosengemeinschaften förderten. [Die Konferenzteilnehmer stellten fest, dass neue technologische Entwicklungen und die damit verbundene Pädagogik den Status der nationalen Gebärdensprachen einiger Länder gefährden können. [iii]

Aus dem viertägigen Dialog zwischen Akademikern, Experten für Sprachenpolitik, Vertretern von Gehörlosenverbänden und Mitgliedern der Gehörlosengemeinschaft gingen einige zentrale Themen hervor.

Erstens, dass es Fehlinformationen über die Beziehung zwischen Laut- und Gebärdensprache gibt. Ein weit verbreiteter Mythos besagt, dass gehörlose Kinder mit Cochlea-Implantaten in einer nicht gebärdensprachlichen Umgebung untergebracht werden müssen, da die Gebärdensprachen angeblich die Entwicklung der Lautsprache beeinträchtigen. Wie ein Referent jedoch eindringlich darlegte, gibt es keinerlei Forschungsergebnisse, die diesen Mythos stützen. Im Gegenteil, es gibt zahlreiche Untersuchungen, die zeigen, dass Zweisprachigkeit ein Vorteil ist. Wenn man Kindern die Möglichkeit gibt, zwei oder mehr Sprachen zu lernen, fördert dies ihre Sprachentwicklung. Es ist wichtig, dass Gehörlosenverbände, führende Persönlichkeiten und Akademiker diejenigen, die Fehlinformationen verbreiten, zur Rede stellen. Es liegt an uns, im öffentlichen und akademischen Diskurs über die Beziehung zwischen Laut- und Gebärdensprache für Genauigkeit zu sorgen.

Zweitens, dass es extremistische Erziehungsmethoden gibt, die gehörlosen Kindern nicht nur das Recht auf Gebärdensprache, sondern auch das Recht auf visuelle Lernstrategien verweigern würden. Wir müssen uns fragen, warum irgendeine Erziehungsmethode einem Menschen das Recht auf ein natürliches Kommunikationsmittel nehmen sollte. Verstoßen diese Erziehungsmethoden gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes? Verletzen sie die Menschenrechte von gehörlosen Kindern?

Auf der Konferenz wurden auch Überlegungen angestellt, wie Gebärdensprachen den Weg der Gefährdung verlassen und sich stattdessen in der Gesellschaft insgesamt entfalten können. Die Bemühungen zur Förderung von Gebärdensprachen haben sich oft auf nationale Gebärdensprachen konzentriert. Es gibt jedoch auch andere Formen von Gebärdensprachen, die von Forschern als "Dorfgebärdensprachen" bezeichnet werden. Diese Sprachen sind in kleinen, oft geografisch isolierten Gemeinschaften zu finden, in denen eine genetische Variante der Gehörlosigkeit häufig vorkommt und Familien sowohl gehörlose als auch hörende Mitglieder haben. Diese Gemeinschaften haben zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten der Menschheitsgeschichte existiert. In diesen Gemeinschaften ist die Gebärdensprache als Gemeinschaftssprache, die sowohl von Gehörlosen als auch von Hörenden verwendet wird, weit verbreitet. Wenn eine Gebärdensprache als organischer Teil der Gemeinschaft akzeptiert wird, wie es bei einigen Dorfgebärdensprachen der Fall ist, dann sind diese Gebärdensprachen nicht gefährdet. [iv] Die Teilnehmer der Konferenz zogen daraus die Lehre, dass nationale Gebärdensprachen als organische menschliche Sprachen verstanden werden müssen und nicht einfach als etwas, das nur für Gehörlose existiert. Ein Redner wies sogar darauf hin, dass Gebärdensprachen die kognitive Entwicklung ihrer Benutzer fördern. Es ist erwiesen, dass Gebärdensprachen die Leseentwicklung fördern - sowohl bei hörenden als auch bei gehörlosen Kindern.[v] Daran sehen wir, dass Gebärdensprachen ein Gewinn für alle Menschen sind.

Schließlich wiesen die Konferenzteilnehmer darauf hin, dass es andere Wege zur Förderung von Gebärdensprachen gibt als unsere traditionelle Abhängigkeit von Bildungseinrichtungen. Bildungseinrichtungen haben in erster Linie das Ziel, gehörlose Kinder zu unterrichten, wobei das oberste Ziel die Förderung der sozialen Eingliederung und nicht einer bestimmten Sprache ist. In den letzten Jahren sind jedoch in verschiedenen Ländern sprachpolitische Gremien (Language Policy Boards) oder Sprachplanungsräte (Language Planning Councils) mit Beratern oder Gremien entstanden, die sich auf Gebärdensprachen konzentrieren. Diese Institutionen haben vor allem ein Ziel: die Förderung von Gebärdensprachen[vi]. Die Arbeit dieser Gremien muss die Verhaltensplanung in der Gesellschaft insgesamt einbeziehen. Diese Gremien sollten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Gebärdensprachen ein kollektives Gut sind - dass Gebärdensprachen ein Gewinn für die gesamte Menschheit sind.


[i] Murangira, Ambrose. 2011. How Deaf Communities can be Active Stakeholders in Deaf Education. Paper presented at the conference Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norway.

[ii] Tijsseling, Corrie. Jüngste Änderungen in der Sprachenpolitik in der niederländischen Gehörlosenbildung. Vortrag auf der Konferenz Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norwegen.

[iii] Tijsseling, 2011; Boye-Niemelä, Janne. 2011. The Current Status of Danish Sign Language. Paper presented at the conference Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norway.

[iv] Zeshan, Ulrike. 2011. Models of sign language endangerment and opportunities for revitalisation.Paper presented at the conference Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norway; Dikyuva, Hasan. 2011. Mardan Sign Language. Paper presented at the conference Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norway.

[v] Hauser, Peter. Wie gehörlose Kinder lernen. Vortrag auf der Konferenz Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norwegen.

[vi] Alanne, Kaisa. 2011. Gebärdensprachen und Sprachpolitik und Planung. Paper presented at the conference Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norway; Holten, Sonja Myre. 2011. Sign Language in Norway: What's Next? Vortrag gehalten auf der Konferenz Sign Languages as Endangered Languages, World Federation of the Deaf and European Union of the Deaf, November 6-9, in Ål Norwegen.

Alle Veröffentlichungen von 2022 bis 2026 werden im Rahmen des Programms Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte (CERV) der Europäischen Kommission kofinanziert und erstellt.

Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder des CERV-Programms der Europäischen Kommission wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.

Diesen Artikel teilen...

Facebook
Twitter
LinkedIn
E-Mail

Verwandte Artikel

de_DEDeutsch
Zum Inhalt springen